Haftpflichtrecht
Haftungsprivilegierung nach § 106 Abs.3 Alt.3 SGB VII — Gemeinsame Betriebsstätte beim Verladen
RA Norbert Elfert
24.10.2008
LG Osnabrück, Urteil vom 16.9.2008 — Aktenzeichen: 3 S 188/08
Das LG Osnabrück — und zuvor in erster Instanz das AG Osnabrück -
hatte über einen Sachverhalt zu entscheiden, bei dem der Kläger,
ein Berufskraftfahrer, Schadenersatzansprüche gegenüber einem
Speditionsunternehmen wegen eines Unfalls im Zusammenhang mir einem
Beladevorgang geltend machte.
Zum Schaden kam es, als der Kläger — nach eigenem Vorbringen ein
selbstständiger, gesetzlich unfallversicherter Berufskraftfahrer -
damit beschäftigt war, seinen LKW am Lager des beklagten
Speditionsunternehmens zu beladen. Dabei wurde ihm durch
Mitarbeiter der Beklagten mitgeteilt, er solle eine bestimmte
Palette mit einem darauf befindlichen Stahlschrank (Gewicht über
500 kg) aufladen. Der Kläger verfügte nicht über das notwendige
technische Gerät, um diese Palette über die Rampe auf den Laster zu
verbringen (Hubwagen bzw. Gabelstapler). Dies übernahm der
Lagerleiter der Beklagten mit einem Hubwagen. Beim Anheben der
Palette kippte der darauf befindliche Schrank und fiel dem Kläger
auf den Fuss.
Der Kläger machte geltend, eine gemeinsame Betriebsstätte liege
nicht vor, da er sich gegenüber dem Lagerleiter gegen die Beladung
mit der Palette ausgesprochen habe.
Das LG Osnabrück bestätigte das erstinstanzliche Urteil des
Amtsgerichtes:
Das beklagte Speditionsunternehmen hafte nicht, da hier eine
Haftung nach § 106 Abs. Alt.3 SGB VII ausgeschlossen sei. Es
handele sich um einen Unfall auf einer gemeinsamen Betriebsstätte
des Klägers und der Beklagten, da hier betriebliche Aktivitäten von
Versicherten mehrerer Unternehmen vorlägen, die bewusst und gewollt
bei einzelenen Maßnahmen ineinander griffen, miteinander verknüpft
seien, sich ergänzten oder unterstützten, wobei es ausreiche, dass
die gegenseitige Verständigung stillschweigend durch blosses Tun
erfolge (vgl: BGHZ 145, 331f.;BGHZ 148, 209f.; BGHZ 148, 214 f.;
BGH VersR 2001, 372; BGH VersR 2002, 1107 f.; BGH — Urteil vom
08.03.2004, VI ZR 251/02). Ein bewusstes Miteinander im
Arbeitsablauf, das sich zumindest tatsächlich als ein aufeinander
bezogenes betriebliches Zusammenwirken mehrerer Unternehmen
darstelle, sei ausreichend (vgl. OLG Koblenz — Urteil vom
20.12.2005, 5 U 281/07).
Daran ändere sich nichts, wenn man der Behauptung des Klägers
glaube, er habe sich gegenüber dem Lagerleiter gegen die Beladung
ausgesprochen: Denn eine Weigerung gegenüber dem Lagerleiter allein
spreche nicht gegen die Annahme einer gemeinsamen Betriebsstätte.
Es stehe fest, dass die abschließende Entscheidung, ob die Palette
aufzuladen sei, bei dem Disponenten der Beklagten gelegen hätte.
Solange diese Entscheidung nicht getroffen sei, wirkten Lagerleiter
und LKW-Fahrer zusammen bei dem Versuch der Beladung.