Bau- und Architektenrecht
Verjährungshemmung im selbständigen Beweisverfahren
RA Felix Reeh
14.4.2009
OLG Hamm, Urteil vom 16.12.2008 — Aktenzeichen: 21 U 117/08
Leitsatz
1. Die Dauer der Verjährungshemmung ist für die in einem selbständigen Beweisverfahren untersuchten Mängel jeweils eigenständig zu beurteilen.
2. Jeder Mangel hat auch dann verjährungsrechtlich sein eigenes Schicksal, wenn die Mängel von einem Sachverständigen in einem Gutachten untersucht werden, das selbständige Beweisverfahren nach Erstellung des Gutachtens jedoch nur hinsichtlich einzelner Mängel weiterbetrieben wird.
Sachverhalt
Die Parteien schlossen am 07.04.1999 einen
Generalunternehmervertrag. Man vereinbarte eine
Gewährleistungsfrist von fünf Jahren (nach BGB) und einigte sich
auf den 31.12.1999 als Fristbeginn. Am 24.12.2004, also noch
rechtzeitig innerhalb der Gewährleistungsfrist, beantragte man beim
Gericht die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens. In
der Folge erstellte der beauftragte Sachverständige ein Gutachten,
welches den Parteien am 17.11.2006 zugestellt wurde. Das Gutachten
wurde seitens der Parteien nur noch zum Teil angegriffen. Mit Klage
vom 08.02.2008 verlangte der Kläger vom Beklagten sodann wegen der
im Gutachten festgestellten Mängel Schadensersatz.
Entscheidung
Der Senat hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Etwaige
Mängelansprüche seien verjährt. Soweit eine Teil-Forderung noch
nicht verjährt sei, bestehe diese aus anderen Gründen, die hier
nicht weiter vertieft werden sollen, ebenfalls nicht.
Mit dem Antrag auf Einleitung des Beweisverfahrens sei zwar die
Verjährung zunächst gehemmt worden. Allerdings ende die Hemmung mit
der Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens. Der
Beendigungszeitpunkt richte sich hier nach der Zustellung des
Gutachtens, da das Gericht keine weitere Frist gesetzt habe und
nach Zugang des Gutachtens innerhalb eines angemessenen Zeitraumes
keine Einwendungen erhoben worden seien.
Gemäß § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB sei die Verjährungshemmung sechs
Monate nach Ende des Beweisverfahrens ausgelaufen und die
Klageforderung somit nun verjährt. Daran ändere auch nichts, dass
das Gutachten in einem Teilbereich noch angegriffen worden
sei.
Denn insoweit ist nach Ansicht des OLG zu beachten, dass die
Verjährung für jeden einzelnen Mangel differenziert zu beurteilen
sei, so dass sich hinsichtlich verschiedener Mängel eines
Bauvorhabens ein unterschiedlicher Lauf der Verjährung ergeben
könne. Jeder Mangel könne verjährungsrechtlich sein eigenes
Schicksal haben. Dies gelte auch für die verjährungsrechtlichen
Folgen eines selbständigen Beweisverfahrens. Die Hemmung der
Verjährung trete bei Einleitung eines solchen Verfahrens nur für
die Mängel ein, die Gegenstand des Antrags seien. Die Hemmung
könne somit zu unterschiedlichen Zeitpunkten enden, soweit es sich,
auch unter Berücksichtigung der Symptomtheorie, um verschiedene,
voneinander unabhängige Mängel handle. Soweit das selbständige
Beweisverfahren – etwa durch ergänzende Fragen und die Einholung
eines Ergänzungsgutachtens – zu einem Mangelpunkt fortgesetzt
worden sei, habe dies nicht zu einer Hemmung auch hinsichtlich der
anderen Mängel geführt.
Im entschiedenen Fall habe die Verjährungshemmung somit nur bis zum
17.05.2007 gedauert. Die Klageerhebung sei somit in
rechtsverjährter Zeit erfolgt.
Praxishinweis
Die Entscheidung macht deutlich, wie wichtig die sorgfältige
Differenzierung zwischen einzelnen Mängelpositionen sein kann, auch
– wie hier – im Hinblick auf Verjährungsfragen.
Nur so kann verhindert werden, dass Ansprüche wegen – scheinbar
klarer – Mängelpositionen bereits verjähren, während das
Beweisverfahren noch wegen – streitiger – Positionen fortgesetzt
wird. Dieser Umstand darf vor allem in solchen Fällen, in denen
durchgehend nur ein Sachverständiger beauftragt wird und das
Verfahren scheinbar noch andauert, nicht übersehen werden.
Ggf. muss also wegen bestimmter Mängel schon Klage erhoben werden,
während das selbständige Beweisverfahren zu anderen Mängeln noch
weiterläuft. Dies ist sicherlich oft unpraktisch, da das Verfahren
so nicht mehr einheitlich geführt werden kann und unübersichtlich
wird. Auch vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich stets prüfen zu
lassen, ob nicht die Klageerhebung einem selbständigen
Beweisverfahren vorzuziehen ist.