Rechtsgebiete
Unbedachte Risiken des „Versicherungs-Hoppings“
RA Norbert Elfert
6.6.2012
OLG Celle, Urteil vom 10.5.2012 — Aktenzeichen: 8 U 213/11
Leitsatz
Kann ein Versicherungsnehmer (VN) einer Wohngebäudeversicherung nicht den sog. Vollbeweis nach § 286 ZPO erbringen, wann ein Leitungswasserschaden eingetreten ist, und hat der VN innerhalb der für den Schadenseintritt in Betracht kommenden Zeitspanne den Wohngebäudeversicherer gewechselt, geht die Unklarheit bzgl. des Schadenseintrittzeitpunktes zu Lasten des VN, mit der Folge, dass dieser keine Versicherugnsansprüche gegen die in Betracht kommenden Versicherer durchsetzen kann.
Sachverhalt
Der Kläger unterhielt für sein Einfamilienhaus bis zum 30.06.2003
eine Wohngebäudeversicherung bei der X-Versicherung, ab dem
01.07.2003 dann anschließend „lückenlos“ bei der Y-Versicherung,
der jetzigen Beklagten. Am 24.07.2004 stellte der Kläger einen
Wasserschaden in Form von Durchfeuchtungen in der Küche fest. Der
von der Beklagten beauftragte Gutachter äußerte sich dahingehend,
dass aufgrund des Schadenbildes davon ausgegangen werden könne,
dass der Schaden ursächlich bereits vor Beginn des bei der
Beklagten abgeschlossenen Versicherungsvertrages entstanden sein
müsse. Demgegenüber kam der von der X-Versicherung beauftragte
Gutachter zu der Einschätzung, dass Schadenverlauf und
Schadenumfang eindeutig darauf hinwiesen, dass der Schaden
allenfalls wenige Monate, u.U. sogar nur Wochen vor der
Schadenfeststellung eingetreten sei. In einem selbständigen
Beweisverfahren kam der gerichtlich beauftragte Gutachter zu dem
Ergebnis, den genauen Schadenzeitpunkt nicht sicher feststellen zu
können. Ein Schadeneintritt vor dem 01.07.2003 sei eher
unwahrscheinlich, aber aus technischer Sicht nicht auszuschließen.
Auch weitere vom Gericht in Auftrag gegebene Gutachten kamen zu dem
Ergebnis, eine seriöse Festlegung des Schadenzeitpunktes sei nicht
möglich. Im Klageverfahren hat der Kläger ausgeführt, aufgrund
einer Anzahl von Umständen und Indizien sei von einem konkreten
Schadeneintrittzeitpunkt während der bei der Beklagten bestehenden
Gebäudeversicherung, also ab dem 01.07.2003, auszugehen. Die
Beklagte habe daher bedingungsgemäß Versicherungsleistungen zur
Schadenbeseitigung zu erbringen.
Entscheidung
Das OLG Celle hat mit Urteil vom 10.05.2012 die Klage abgewiesen.
Der Kläger habe auch im Klageverfahren nicht mit dem zu fordernden
Beweismaß des Vollbeweises nach § 286 ZPO nachgewiesen, dass der
Schaden ab dem 01.07.2003 und damit während des
Versicherungszeitraums bei der Beklagten eingetreten sei.
Nach dem Maßstab des § 286 ZPO müsse für das Gericht zur
persönlichen Gewissheit feststehen, dass der Versicherungsfall im
Versicherungszeitraum bei der Beklagten eingetreten sei. Dass dies
„gut möglich“ oder "überwiegend wahrscheinlich“ sei, genüge dabei
nicht.
Genau diese Gewissheit sei aber aufgrund der Ergebnisse der
Gutachten im Beweisverfahren ebenso wenig zu gewinnen gewesen wie
aus den sonstigen Umständen. Auch streite kein Anscheinsbeweis für
den Kläger, da sich ein typischer Geschehensablauf im Hinblick auf
den Schadeneintritt und -verlauf gerade nicht feststellen
lasse.
Schließlich ergäbe sich auch nichts anderes aus Normen des
materiellen Rechts. Die hiesige Beklagte wie auch die frühere
Wohngebäudeversicherung, die X-Versicherung, hafteten nur
alternativ. Lasse sich, wie hier, die Haftung des einen
Versicherers nicht feststellen, ergäbe sich daraus nicht zwingend
im Umkehrschluss, dass der andere hafte. Spezialgesetzliche
Regelungen (z.B. in § 830 Abs. 1 S.2 BGB oder § 252 S.2 BGB) seien
auf die vorliegende Sachverhaltskonstellation nicht anzuwenden. Ein
allgemeiner Rechtssatz dergestalt, dass alle diejenigen, die
möglicherweise für einen bestimmten Erfolg einzustehen haben, dem
Geschädigten haften,es sei denn, sie bewiesen, dass ihre
Verantwortung ausscheide, gebe es im Versicherungsrecht aber
nicht.
Das Urteil des OLG Celle zeigt, dass selbst bei einem „geglückten“
Versicherungswechsel hieraus erhebliche Risiken bestehen: Aufgrund
der abgegrenzten Versicherungszeiträume läuft der VN Gefahr, bei
schleichenden oder sich langsam entwickelnden und erst nach und
nach zu Tage tretenden Schäden nicht mehr beweisen zu können, in
welchen Versicherungzeitraum der Schadenseintritt fällt. Kann er
dies nicht beweisen, droht trotz feststehender, generell
versicherter Schäden, dass der VN auf seinem Schaden „sitzen
bleibt“.