Anwalts- und Notarhaftung
Berufungsbegründung: Pflichten bei Vorlage der Handakte
RAin Simone Eiben
29.9.2011
BGH, Beschluss vom 06.07.2011 — Aktenzeichen: XII ZB 88/11
Leitsatz
1. Die Wiedereinsetzungsfrist beginnt spätestens mit dem Zeitpunkt, in dem der verantwortliche Anwalt bei Anwendung der unter den gegebenen Umständen von ihm zu erwartenden Sorgfalt die eingetretene Säumnis hätte erkennen können und müssen. 2. Wird dem Anwalt die Handakte zur Fertigung der Berufungsbegründung vorgelegt, muss er anhand der Handakte auch prüfen, ob die Berufungsfrist eingehalten worden ist.
Sachverhalt
Ein amtsgerichtliches klageabweisendes Urteil war dem Kläger am
30.10.2009 zugestellt worden. Die Berufungsschrift des Klägers war
beim Berufungsgericht am 2.12.2009 eingegangen. Hierauf wies das
Berufungsgericht mit Schreiben vom gleichen Tage hin. Bereits am
30.11.2009 war die Berufungsschrift per Telefax an das Amtsgericht
gesandt worden. Dieses leitete den Schriftsatz an das zuständige
Berufungsgericht weiter, wo der Schriftsatz am 3.12.2009
einging.
Am 12.1.2011 wies das Berufungsgericht den Kläger darauf hin, dass
die Berufungsfrist nicht eingehalten sei. Der
Wiedereinsetzungsantrag des Klägers vom 14.1.2011 wurde vom
Berufungsgericht zurückgewiesen, da er nicht innerhalb der
Ausschlussfrist des § 234 Abs. 3 ZPO gestellt worden sei.
Hiergegen hat sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde zum BGH
gewandt.
Entscheidung
Der BGH hat dahinstehen lassen, ob die Anwendung der
Ausschlussfrist des § 234 Abs. 3 ZPO rechtsfehlerfrei erfolgt ist.
Denn der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war
bereits gem. § 234 Abs. 1 und 2 ZPO unzulässig. Die zweiwöchige
Wiedereinsetzungsfrist beginnt gem. § 234 Abs. 2 ZPO mit dem Tag,
an dem das Hindernis — hier die Unkenntnis von dem verspäteten
Eingang der Berufungsschrift beim Berufungsgericht — behoben ist.
Das ist schon dann der Fall, sobald die Unkenntnis und damit die
Verhinderung nicht mehr unverschuldet ist. Die
Wiedereinsetzungsfrist beginnt daher spätestens in dem Zeitpunkt,
in dem der verantwortliche Anwalt bei Anwendung der unter den
gegebenen Umständen von ihm zu erwartenden Sorgfalt die
eingetretene Säumnis hätte erkennen können und müssen.
Spätestens bei Vorlage der Handakte zur Fertigung der
Berufungsbegründung, deren Frist am 30.12.2009 ablief, hatte der
Prozessbevollmächtigte des Klägers — so der BGH — Anlass gehabt,
auch die Einhaltung der Berufungsfrist zu überprüfen. Hierbei hätte
er anhand der gerichtlichen Eingangsbestätigung vom 2.12.2009
bemerken müssen, dass die Berufung beim Gericht nicht fristgemäß
eingegangen war.