Anwalts- und Notarhaftung
Hinweis- oder Belehrungspflicht des Notars bei der Vertragsbeurkundung
RA Axel Boesenberg
25.6.2012
OLG München, Urteil vom 1.3.2012 — Aktenzeichen: 1 U 1531/11
Leitsatz
Für das Bestehen einer Hinweis- und Belehrungspflicht des Notars vor der Beurkundung eines notariellen Kaufvertrages ist nicht die ex post Betrachtung entscheidend, sondern ob der Notar zum Zeitpunkt der Beurkundung hätte erkennen können, dass eine bestimmte Vertragsgestaltung nicht hinreichend die Interessen der Parteien wahrt bzw. sie vorhersehbar in Haftungsrisiken bringt.
Sachverhalt
Die Klägerin macht gegenüber einem Notar Schadensersatzansprüche
geltend, da sie der Auffassung ist, nicht ordnungsgemäß über
Risiken im Zusammenhang mit dem Verkauf eines Grundstücks
informiert worden zu sein. Die Klägerin, die in Gütertrennung mit
ihrem Ehemann lebte, verkaufte ein gemeinsamenes Grundstück. Der
Ehemann hatte erhebliche Schulden. Die Gläubiger griffen
letztendlich auf den Kaufpreisanspruch der Klägerin und des
Ehemannes zu, so dass der Klägerin lediglich ein äußerst geringer
Betrag aus dem Verkauf verblieb. Die Klägerin wirft dem beklagten
Notar vor, er habe versäumt, den Kaufvertrag so zu formulieren,
dass jedem der hälftigen Miteigentümer (Klägerin 1/2, Ehemann 1/2)
ein separater hälftiger Kaufpreisanspruch zusteht. Ihr
Kaufpreisanspruch hätte dann wegen der Gütertrennung nicht von den
Gläubigern des Ehemannes gepfändet werden können. Der beklagte
Notar hingegen hat vorgetragen, ihm seien Schulden des Ehemannes
nicht bekannt gewesen, weshalb er nicht auf eine mögliche andere
Vertragsgestaltung hingewiesen habe.
Entscheidung
Das Oberlandesgericht hat eine schuldhafte Amtspflichtverletzung
verneint. Dabei hat das Oberlandesgericht insbesondere
festgestellt, dass ungeachtet der Frage, ob eine andere von den
Beklagten gewählte Vertragsgestaltung die Klägerin besser gestellt
hätte, der Beklagte zu einer dahingehenden Beratung nur
verpflichtet sein kann, wenn er erkennen konnte, dass Risiken
bestehen. Entscheidend ist dabei nicht die Betrachtung nach dem
Eintritt des vermeintlichen Schadensfalls, sondern ob der Notar zum
Zeitpunkt der Beurkundung hätte erkennen können, dass eine
bestimmte Vertragsgestaltung nicht hinreichend die Interessen der
Parteien wahrt, bzw. sie vorhersehbar in Haftungsrisiken bringt.
Mangels entsprechender Informationen über die Schulden des
Ehemannes, waren Risiken für die Klägerin von dem Beklagten nicht
vorhersehbar.