Bank- und Kapitalanlagerecht
Pflicht des Anlageberaters zur zeitnahen Auswertung von der Wirtschaftspresse
RAin Simone Eiben
12.3.2010
BGH, Urteil vom 5.11.2009 — Aktenzeichen: III ZR 302/08
Leitsatz
Zur Pflicht des Anlageberaters, die Wirtschaftspresse im Hinblick auf für die von ihm vertriebenen Anlageprodukte relevante Pressemitteilung zeitnah durchzusehen.
Sachverhalt
Der BGH hat ein Fall zu entscheiden, in dem der Kläger gegenüber
der beklagten Anlageberatungsfirma Schadensersatz wegen
fehlerhafter Anlageberatung begehrte. Die Beklagte riet dem Kläger
am 10.12. einer stillen Beteiligungsgesellschaft beizutreten. Diese
Beteiligungsgesellschaft wurde bereits am 04.12. vom
Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen die Tätigkeit untersagt.
Über diese Untersagungsverfügung berichtete das Handelsblatt in
einer kleinen Meldung über 7 Zeilen am 07.12.. Die Beklagte bezog
das Handelsblatt nicht und wertete dies folglich auch nicht aus.
Der Kläger stützt sein Anspruch u.a. darauf, dass die Beklagte das
Handelsblatt hätte lesen und auswerten müssen. Dann hätte die
Beklagte von der Untersagungsverfügung gewusst, dies dem Kläger
mitgeteilt, der dann die streitgegenständliche Anlage nicht
gezeichnet hätte.
Das Landgericht gab der Klage statt, auf die Berufung der Beklagten
wies das Oberlandesgericht die Klage ab. Mit der Revision verfolgte
der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidung
Der BGH hob das Urteil des Oberlandesgerichts auf und gab der Klage
statt. Der BGH stellte dabei fest, dass ein Anlageberater, der sich
in Bezug auf eine bestimmte Anlageentscheidung als kompetent
geriert, sich aktuelle Informationen über das Anlageobjekt zu
verschaffen hat. Dazu gehöre auch die Auswertung vorhandener
Veröffentlichungen in der Wirtschaftspresse. Bei einer privaten
Anleihe müsse danach über zeitnahe und gehäufte negative Berichte
in der Börsenzeitung der Financial Times Deutschlands, dem
Handelsblatt und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung unterrichtet
werden. Zwar könne der Anlageberater selbst entscheiden, welche
Auswahl der hinsichtlich der Publikationsorgane treffe. Jedenfalls
aber die Lektüre des Handelsblatts sei für jeden Anlageberater
unverzichtbar. Denn das Handelsblatt biete als werktäglich
erscheinende Zeitung mit spezieller Ausrichtung auf
Wirtschaftsfragen in ganz besonderem Maße die Gewähr, aktuell über
wichtige und für die Anlageberatung relevante Nachrichten zu
informieren. Dabei habe sich in zeitlicher Hinsicht die Auswertung
der Informationen nach dem Entscheidungsintervalls des Presseorgans
zu richten. Deshalb sei für werktäglich erscheinende
Presseerzeugnisse, wie das Handelsblatt, unter Berücksichtigung der
berechtigten Interesse des Anlegers im Hinblick auf eine Beratung
jedenfalls eine Kenntnisnahme nach Ablauf von spätestens drei Tagen
nicht mehr pflichtgemäß. Zudem stellte der BGH fest, dass auch bei
nur einer Mitteilung in einem der führenden Presseorgane eine
Aufklärung des Anlegers geboten sei, wenn er diese Mitteilung das
Kerngeschäft des Anlageobjekts beträfe.