Bau- und Architektenrecht
Populäre Rechtsirrtümer am Bau
RA Dr. Harald Scholz
16.3.2012
Der Frust mit der Frist
Mängel darf man als Auftraggeber nicht einfach selbst beseitigen
und dann dem Verursacher die Rechnung schicken. Man muss vorher
eine Frist zur Nachbesserung setzen. Soweit ist das am Bau
allgemein bekannt. Das unbekannte Gelände beginnt kurz dahinter und
soll in diesem Beitrag unter Erläuterung der wichtigsten Irrtümer
einmal begangen werden.
Fall 1:
Der Auftraggeber bemerkt einen Mangel. Um den Baufortschritt des
Folgegewerks nicht zu gefährden, lässt er diesen Mangel vom
Folgegewerk kurzerhand für 2000 Euro mitbeseitigen.
In diesem Fall hat der Auftraggeber keine Gewährleistungsansprüche,
weil er die erforderliche Frist (hier nach § 637 Abs.1 BGB) nicht
gesetzt hat. Er bekommt das Geld nicht zurück, auch nicht auf
juristischen Umwegen.
Es gibt Ausnahmekonstellationen, in denen eine Fristsetzung
ausnahmsweise nicht erforderlich ist, wie etwa eine vorangegangene
endgültige Erfüllungsverweigerung des Auftragnehmers, berechtigter
Vertrauensverlust oder Gefahr im Verzug. Diese werden häufig
herangezogen, aber selten von Gerichten bestätigt. Der bestehende
Zeitdruck im Beispielsfall würde mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht
reichen, denn — so die Gerichte — dann könne man wenigstens noch
eine kurze Frist setzen.
Fall 2:
Während bei einem VOB/B-Vertrag der Auftragnehmer seine Leistungen
noch erbringt, stellt der Auftraggeber Mängel fest. Der
Auftraggeber setzt zur Beseitigung eine Frist, die ergebnislos
abläuft. Dann lässt der Auftraggeber die Mängel von einem Dritten
beseitigen und stellt die Kosten in Rechnung.
Die Fristsetzung war natürlich erforderlich, reichte in diesem Fall
aber nicht aus. Die VOB/B lag dem Vertrag zugrunde. Diese sieht bei
Mängeln vor Abnahme ein solches Ersatzvornahmerecht nur dann vor,
wenn bei der Fristsetzung die Entziehung des Auftrags angedroht und
nach Fristablauf auch – zumindest für in sich abgeschlossene Teile
des Auftrages — ausgesprochen wird (§§ 4 Absatz 7, 8 Absatz 3 Nr.1
VOB/B). Die Voraussetzungen sind also in dieser Konstellation
nochmals strenger.
Fall 3:
Zwei Auftragnehmer sind an der Baustelle im Einsatz. Nach
Fertigstellung von Teilen der vertraglichen Leistung fällt der eine
in Insolvenz, dem anderen muss wegen Verzuges mit der
Fertigstellung gekündigt werden. Ein Jahr später werden Mängel
festgestellt, von denen jeder der beiden Unternehmer einen zu
verantworten hat. Was muss geschehen?
Beiden Unternehmen ist eine Frist zu setzen! Auch nach einer
Kündigung bleibt nämlich der Auftragnehmer für die Mangelfreiheit
der bis dahin erbrachten Leistungen verantwortlich. Die Kündigung
betrifft nur die weitere Leistungserbringung und löst den Vertrag
nicht rückwirkend auf. Also hat der Unternehmern auch ein
Nachbesserungsrecht. Eine Frist ist auch dem Insolvenzverwalter des
in Insolvenz gegangenen Unternehmens zu setzen. Es ist ein weit
verbreiteter Irrtum, dass dies „sowieso keinen Zweck“ hätte und
daher unterbleiben könne. Insbesondere dann, wenn noch Einbehalte
aus dem Werklohn bestehen, kann die Nachbesserung für den
Insolvenzverwalter wirtschaftlich sinnvoll sein. Unterbleibt die
Fristsetzung und werden die Mängel in Eigenregie beseitigt, können
die Kosten vom Auftraggeber nicht aufgerechnet werden, wenn der
Insolvenzverwalter von ihm offenstehenden Restwerklohn
verlangt.
Fall 4:
Bei Installationsarbeiten verbleibt eine Undichtigkeit an einer
Wasserleitung. Dadurch entsteht ein schleichender Wasserschaden
beim Auftraggeber, u.a. wird Wärmedämmung durchfeuchtet, Parkett
beschädigt und Schimmelbefall an Trockenbauwänden festgestellt. Der
Auftraggeber lässt den Schaden ohne Fristsetzung beseitigen und die
Leitung reparieren. Der geschulte Auftragnehmer atmet auf, da ihm
wegen der fehlenden Fristsetzung nichts mehr passieren kann.
Zurecht?
Die 50 Euro für die Reparatur der Wasserleitung treffen den
Auftragnehmer zwar wahrscheinlich wirklich nicht. Aber der massive
Folgeschaden an anderen Gewerken, die der Auftragnehmer nicht
hergestellt hat, ist kein Mangel seiner Leistung. Die Kosten
solcher Folgeschäden können daher ohne Fristsetzung ersetzt
verlangt werden. Als Faustregel gilt: Was auch bei Nachholung der
mangelfreien Leistung, hier also einer mangelfreien
Sanitärinstallation, an Nachteilen verbleibt, ist ein solcher
Folgeschaden. Der Auftragnehmer sollte deshalb den Schaden seiner
Haftpflichtversicherung melden, die für Folgeschäden
eintrittspflichtig ist
Fall 5:
Gerne berufen sich auch Architekten und Ingenieure auf ihr Recht
zur Nachbesserung. Geht das überhaupt?
Im Prinzip schon. Auch Architekten- und Ingenieurverträge sind
Werkverträge, für die alle bisherigen Ausführungen gelten. Nun aber
der oft übersehene Pferdefuß: Sobald sich die Planung des
Architekten oder Ingenieurs im Bauwerk verkörpert hat, wird dies –
wie bei Fall 4 – als Folgeschaden angesehen. Denn die Korrektur der
Pläne (Mangelbeseitigung) führt ja ohne weitere Schritte noch nicht
zu einem mangelfreien Bauwerk. Genauso wenig kann etwa ein
Bauleitungsfehler noch korrigiert werden. Zur Beseitigung eines
Mangels am Bauwerk muss der Architekt oder Ingenieur daher nicht
aufgefordert werden. Er schuldet Schadenersatz in Geld. Ob man dazu
andere vertragliche Vereinbarungen treffen kann, was oft versucht
wird und fast nie klappt, soll heute nicht unser Thema sein.
Das Nachbesserungsrecht hat aber auch in Architekten- und
Ingenieurverträgen seine Bedeutung, etwa wenn schon im
Planungsstadium Probleme auftreten. Öfters entsteht Streit um die
Erfüllung gestellter Anforderungen oder um die Einhaltung von
Kostenvorgaben des Auftraggebers. Hier kann der Auftraggeber nicht
einfach kündigen, sondern muss in aller Regel dem Architekten oder
Ingenieur Gelegenheit geben, seine Planung nachzubessern und den
Mangel zu beseitigen.
Alle Irrtümer aufgeklärt? Eigentlich ist es ganz einfach. Wenn und
soweit durch das bloße Nachholen der mangelfreien Leistung das
Problem behoben werden kann, muss der Auftraggeber auch eine Frist
setzen, bevor er zur Ersatzvornahme auf Kosten des Verursachers
schreiten kann. Ist das nicht der Fall, handelt es sich um einen
Schaden, für den es keiner Fristsetzung bedarf.