Bau- und Architektenrecht
Wann kann Vorschuss auf Mängelbeseitigungskosten zurückgefordert werden?
RA Felix Reeh
10.2.2010
BGH, Urteil vom 14.1.2010 — Aktenzeichen: VII ZR 108/08
Leitsatz
1. Der Auftragnehmer kann einen an den Auftraggeber gezahlten Vorschuss auf die Mängelbeseitigungskosten zurückfordern, wenn feststeht, dass die Mängelbeseitigung nicht mehr durchgeführt wird. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Auftraggeber seinen Willen aufgegeben hat, die Mängel zu beseitigen. 2. Ein Rückforderungsanspruch entsteht auch dann, wenn der Auftraggeber die Mängelbeseitigung nicht binnen angemessener Frist durchgeführt hat. 3. Welche Frist für die Mängelbeseitigung angemessen ist, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände zu ermitteln, die für diese maßgeblich sind. Abzustellen ist auch auf die persönlichen Verhältnisse des Auftraggebers und die Schwierigkeiten, die sich für ihn ergeben, weil er in der Beseitigung von Baumängeln unerfahren ist und hierfür fachkundige Beratung benötigt. 4. Der Vorschuss ist trotz Ablauf einer angemessenen Frist zur Mängelbeseitigung nicht zurückzuzahlen, soweit er im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zweckentsprechend verbraucht worden ist oder, dass er alsbald verbraucht werden wird.
Sachverhalt
Der Auftragnehmer (AN) errichtete für den Auftraggeber (AG) im
Jahre 1993 ein Wohnhaus mit Garage. Wegen zahlreicher Mängel nahm
der AG die AN erfolgreich auf Zahlung von Vorschuss auf die
Mängelbeseitigungskosten in Anspruch.
Nach Zahlung des Vorschusses beauftragte der AG einen Architekten
mit der Planung und Durchführung der Mängelbeseitigungsarbeiten.
Dieser holte Angebote verschiedener Firmen ein und gab
Mängelbeseitigungsarbeiten in Auftrag. Sie waren zum Zeitpunkt der
letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 3. April
2008 noch nicht abgeschlossen. Bis dahin hatte der AG bereits
Architektenhonorar gezahlt und Rechnungen von Handwerkern
erhalten.
Das Berufungsgericht entschied, dass dem AN wegen nicht
fristgemäßer Verwendung des zur Mängelbeseitigung gezahlten
Vorschusses ein Rückzahlungsanspruch zustehe. Aus dem
vertraglichen Charakter des Vorschussanspruchs folge, dass der AN,
die Klägerin, berechtigt sei, den Vorschuss zurückzufordern, wenn
der AG, die Mängelbeseitigung nicht innerhalb einer angemessenen
Frist durchführe oder nicht mehr ernsthaft betreibe. In welcher
Zeit der AG die Nachbesserung vorzunehmen und eine Abrechnung zu
erteilen habe, hänge von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls
ab. Hier könne allenfalls eine Zeitspanne von eineinhalb
Jahren nach Zahlung des Vorschusses angenommen werden, die Ende
Januar 2006 abgelaufen sei. Erst danach habe der AG die Mängel
beseitigen lassen. Er könne diese Kosten dem Rückzahlungsbegehren
des AN nicht entgegenhalten.
Entscheidung
Anders sieht dies der BGH. Er hebt die Entscheidung des
Berufungsgerichtes auf.
Der BGH hatte in der vorliegenden Entscheidung die bislang nicht
abschließend entschiedene Frage zu klären, unter welchen
Voraussetzungen der grundsätzlich mögliche Anspruch auf
Rückforderung des Vorschusses entsteht.
Dabei war hier vor allem die Frage interessant, inwieweit eine
Rückforderung begründet ist, wenn der AG den Vorschuss ganz oder
teilweise nicht binnen angemessener Frist zur Mängelbeseitigung
verwendet.
Hierzu hat der BGH folgende wichtige Feststellungen
getroffen:
1. Steht fest, dass die Mängelbeseitigung nicht mehr durchgeführt
wird, so entfällt die Grundlage dafür, dass der Auftraggeber die
ihm zur Mängelbeseitigung zur Verfügung gestellten Mittel behält.
Der Rückforderungsanspruch wird zu diesem Zeitpunkt fällig.
2. Der Rückforderungsanspruch wird spätestens mit Vorlage der
Abrechnung fällig. Er wird aber auch ohne Vorlage einer Abrechnung
fällig, wenn diese dem AG möglich und zumutbar ist. Ist das
ausnahmsweise nicht der Fall, kann eine Rückforderung noch nicht
verlangt werden.
3. Die Rückzahlungspflicht kann außerdem entfallen, wenn der AG
mit seinem Schadensersatzanspruch wegen der Mängel
aufrechnet.
4. Schließlich entsteht derRückforderungsanspruch auch dann,
wenn der Auftraggeber die Mängelbeseitigung nicht binnen
angemessener Frist durchgeführt hat.
Hierbei ist im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände
die Angemessenheit der Frist zu ermitteln. Eine Anknüpfung an
starre Fristen verbietet sich nach Auffassung des BGH von
vornherein. Denn es könne nicht allein darauf abgestellt
werden, in welcher Zeit ein Bauunternehmer üblicherweise die Mängel
beseitigt hätte. Vielmehr sei auch auf die persönlichen
Verhältnisse des AG abzustellen, dem die
Mängelbeseitigungsmaßnahmen durch den AN dadurch aufgedrängt
werden, dass dieser die Mängelbeseitigung nicht innerhalb der ihm
gesetzten Frist vorgenommen oder sie sogar endgültig verweigert
hat.
5. Ein Rückforderungsanspruch kann nach den Erwägungen des BGH auch
entstehen, wenn der AG nach Ablauf der angemessenen Frist zwar mit
der Mängelbeseitigung begonnen, diese jedoch nicht zum Abschluss
gebracht hat. In diesen Fällen ist zu berücksichtigen, dass der AN
nach Treu und Glauben gehindert sein kann, sein Recht
durchzusetzen. Der AG kann solche Einwände gegen die Durchsetzung
des Rückforderungsanspruchs nach Ablauf einer angemessenen Frist
zur Mängelbeseitigung geltend machen, die sich aus den
Besonderheiten des Vorschusses und seiner Zweckbindung herleiten
und aus denen sich ein unabweisbares Interesse daran ergibt, den
Vorschuss trotz Ablauf der für die Mängelbeseitigung angemessenen
Frist nicht zurückzahlen zu müssen. Diese Einwände muss der AG
darlegen und gegebenenfalls beweisen.