Bau- und Architektenrecht
Werkleistungen haben nicht immer etwas mit Bauleistungen zu tunAchtung Abnahme!
RA Dr. Ingo Schmidt
15.6.2010
OLG Brandenburg, Urteil vom 25.5.2010 — Aktenzeichen: 6 U 62/09
Leitsatz
Von einer stillschweigenden Abnahme ist auszugehen, wenn der Werkunternehmer aus dem Verhalten des Bestellers entnehmen kann, dass seine Leistung im Wesentlichen als vertragsgemäß angesehen werde.
Sachverhalt
Der Kläger betreibt eine Dienstleistungsagentur für Industrie und
Handel. Zu ihrem Tätigkeitsfeld gehört auch die Durchführung von
Inventuren, mit welchen die Beklagte den Kläger als Subunternehmer
beauftragte. Vertraglich hatte sich die Beklagte verpflichtet,
Inventuraufträge zu akquirieren und die Personalbedarfsplanung für
die Vorbereitung und Durchführung der übernommenen Inventuren
durchzuführen. Es wurden auch Inventuraufträge erteilt; die
Beklagte war als Subunternehmerin tätig; die Beklagte wiederum
schaltete den Kläger als Subunternehmer ein. Die Parteien
vereinbarten, dass die Beklagte bestimmte Tagessätze für einen
Inventurleiter zahlt. Der Kläger bzw. seine Mitarbeiter führten für
die Beklagte einige Inventuren durch. Nach Beendigung des
Vertragsverhältnisses rechnete der Kläger ab. Der Beklagte meinte,
die Vergütung sei gar nicht fällig; abgenommen habe er die
Leistungen nicht.
Darüber stritten die Parteien durch die Instanzen.
Entscheidung
Das Oberlandesgericht führte in zweiter Instanz aus: Unstreitig
haben die Parteien einen Vertrag über die Durchführung von
Inventuren abgeschlossen. Dabei handelt es sich um einen
Sammel-Werkvertrag gemäß § 631 BGB. Die Werklohnforderungen des
Klägers sind nach einer stillschweigenden Abnahme durch die
Beklagte nach § 641 Abs. 1 BGB fällig. Von einer stillschweigenden
Abnahme ist auszugehen, wenn der Werkunternehmer aus dem Verhalten
des Bestellers entnehmen kann, dass seine Leistung im Wesentlichen
als vertragsgemäß angesehen werde. Der Kläger hat seine Leistungen
für die Beklagte im Herbst 2008 abgeschlossen. Damit lag objektiv
eine Abnahmesituation vor. Die Beklagte war in der Lage zu prüfen,
ob der Kläger seine Leistungen ordnungsgemäß erbracht hat, indem
sie mit ihren Auftraggebern Rücksprache nimmt. Gegenüber den
Zahlungsaufforderungen des Klägers hat sich die Beklagte mit
anwaltlichem Schreiben nicht etwa dahingehend geäußert, dass sie
die Leistungen des Klägers als nicht abnahmefähig ansehe, sondern
sich gegenüber den offenen Forderungen des Klägers auf eine
Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen berufen. Bei einem
derartigen Verhalten darf der Kläger auf eine Abnahme schließen.
Jedenfalls kann sich die Beklagte nach dem Grundsatz von Treu und
Glauben gegenüber einer Vergütungsklage nicht mit einer fehlenden
Abnahme verteidigen. Denn bei Vorliegen einer mängelfreien und
damit abnahmefähigen Leistung des Klägers ist die Beklagte zur
Abnahme verpflichtet.
Praxishinweis:
Bei Werkleistungen nichtkörperlicher Art, also solcher, die man
nicht anfassen kann, gerät die Abnahme gelegentlich aus dem Blick.
Dies kann einem Auftragnehmer schnell zum Verhängnis werden. Um die
Fälligkeit seiner Vergütungsforderung herbei zu führen, muss der
Auftragnehmer eine Abnahme erreichen. Diese kann — und das zeigt
die Entscheidung — auch stillschweigend geschehen, etwa durch
rügelose Inbenutzungnahme der Werkleistung oder durch Ausgleich der
Rechnung.