Bank- und Kapitalanlagerecht
Zu den Nachforschungs- und Aufklärungspflichten eines Anlageberaters bei Vermittlung einer Anlage
RA Axel Boesenberg
22.11.2010
BGH, Urteil vom 16.9.2010 — Aktenzeichen: III ZR 14/10
Leitsatz
Zum Umfang der Nachforschungspflichten eines Anlageberaters im Hinblick auf den im Emissionsprospekt eines Filmfonds angesprochenen Erlösversicherer.
Sachverhalt
Die Klägerin verlangt Schadensersatz wegen behaupteter
Beratungspflichtverletzung des Beklagten anlässlich der Beteiligung
an einem Filmfonds. Bei diesem Filmfonds wurde zur Reduzierung des
Erlösrisikos eine Erlösversicherung abgeschlossen. Als möglicher
Erlösversicherer wurde z. B. die NEIS, Brüssel angegeben. Vor der
NEIS-Versicherung hatte das Bundesaufsichtsamt für das
Versicherungswesen bzgl. Kaskoversicherungen bei Klein- und
mittleren Privatflugzeugen und bezgl. des
Direktversicherungsgeschäftes in Deutschland gewarnt. Als
Filmeinnahmen ausblieben, glich die NEIS diese nicht aus, weshalb
der Filmfonds inzwischen nahezu wertlos ist. Der Beklagte hatte
sich vor den Beratungsgesprächen auf einer Schulung über das
Konzept des Filmfonds kundig gemacht sowie in Fachzeitschriften
über den Ruf des Filmfonds der Apollo Media GmbH & Co. KG
nachgelesen. Er hatte jedoch keine Informationen über die
Erlösversicherung, insbesondere die im Prospekt genannten NEIS,
eingeholt. Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte habe eine
Anfrage an das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen
richten müssen und hätte dann Kenntnis von dessen negativer
Pressemitteilung über die NEIS bzgl. der Kaskoversicherung für
Privatflugzeuge und des Direktvertriebs gehabt.
Entscheidung
Der BGH hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen und das
klageabweisende Urteil des Oberlandesgerichts München bestätigt.
Der BGH führt aus, grundsätzlich müsse sich der Berater aktuelle
Informationen bzgl. der Erlösversicherer verschaffen, wozu die
Auswertung vorhandener Veröffentlichungen in der Wirtschaftspresse
gehöre. Ein Verstoß gegen diese Pflicht führe aber nur dann zu
einer Haftung, wenn bei der gebotenen Prüfung ein Risiko erkennbar
geworden wäre, über das der Anleger hätte aufgeklärt werden müssen,
oder aber, wenn erkennbar geworden wäre, dass eine Empfehlung der
Anlage nicht anleger- und/oder objektgerecht sei. Die
Presseveröffentlichung des Bundesaufsichtsamts habe der Beklagte
bei der Beratung aber weder erkennen noch habe síe ihm präsent sein
müssen. Im Zeitpunkt der Beratung sei die Mitteilung bereits 4
Jahre alt gewesen. Zudem habe die Mitteilung
Kaskoversicherungsverträge und den Betrieb des
Direktversicherungsgeschäfts betroffen. Für eine Erlösversicherung
für einen Filmfonds habe dies keine Rolle gespielt. Daher sei eine
Anfrage an das Bundesaufsichtsamts zur Abklärung des Risikos nicht
erforderlich gewesen.
Zudem schulde ein Berater an sich keine Nachfrage bei der
Aufsichtsbehörde. Ein Anlageberater könne regelmäßig davon
ausgehen, dass für die Öffentlichkeit bestimmte Informationen
(Presseerklärung) der zuständigen Aufsichtsbehörde auch in der vom
Berater zur Kenntnis zu nehmenden einschlägigen Wirtschaftspresse
ihren Niederschlag finden. Daher reiche die Auswertung der
einschlägigen Wirtschaftspresse.
Der Beklagte habe auch nicht über das Unterlassen der Einholung von
Erkundigungen bzgl. der NEIS aufklären müssen. Der BGH führt dazu
aus, dass der Berater grundsätzlich keine weiteren Nachforschungen
anstellen muss, wenn die geschuldete Lektüre der einschlägigen
Wirtschaftspresse keinen Anlass gibt, an der Seriosität der an
einer Kapitalanlage Beteiligten zu zweifeln. In dem Fall bestehe
auch keine Aufklärungspflicht im Hinblick auf eine Unterlassung der
weiteren Nachforschung.