Amtshaftung auf Baustellen

OLG Hamm, Urteil vom 29.7.2015 — Aktenzeichen: 11 U 32/14

Sachverhalt
Die Klägerin — Kaskoversicherer — verlangt von der Beklagten, einem Unternehmen für Verkehrssicherung an Baustellen, aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes Erstattung von Kaskoaufwendungen, die deshalb entstanden sind, weil die Zedentin den ihrer Versicherungsnehmerin durch das Umfallen eines von der Beklagten aufgestellten Verkehrsschildes am 07.12.2011 entstandenen Schaden am Pkw ersetzt hat. Die Beklagte hatte das Verkehrsschild im Auftrag der Stadt C aufgestellt. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht schuldhaft verletzt habe, weil sie die Standfestigkeit des mobilen Verkehrsschildes nicht ausreichend kontrolliert habe.

Entscheidung
Das OLG hebt auf, da das LG die Stellung der Beklagten als Verwaltungshelfer i.S.d. § 839 BGB i.V.m. Art 34 GG übersehen hat:

Vorliegend handelte die Beklagte bei dem Aufstellen des schadensverursachenden Verkehrsschildes in Ausübung eines ihr anvertrauten öffentlichen Amtes. Dabei ist es ohne Bedeutung, dass die GmbH eine juristische Person des Privatrechts ist, denn auch Privatpersonen können hoheitliche Aufgaben wahrnehmen und somit Beamte im haftungsrechtlichen Sinne des § 839 Abs. 1 BGB sein. Dies ist zum einen der Fall bei der Beleihung mit hoheitlichen Aufgaben, im Einzelfall jedoch auch bei bloßen Hilfstätigkeiten im Rahmen öffentlicher Verwaltung als sog. Verwaltungshelfer. Im vorliegenden Fall handelte die Beklagte bei der Aufstellung des Verkehrsschildes als Verwaltungshelfer der Stadt C.

Ob sich das Handeln einer Person als Ausübung eines ihr anvertrauten öffentlichen Amtes darstellt, bestimmt sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs danach, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn der Betreffende tätig wird, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist und ob zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung als noch dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden muss. Dabei ist nicht auf die Person des Handelnden, sondern auf seine Funktion und damit auf die Aufgabe, deren Wahrnehmung die im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit dient, abzustellen. Maßgeblich für die Beurteilung ist, ob ein innerer Zusammenhang und eine engere Beziehung zwischen der Betätigung des Privaten und der hoheitlichen Aufgabe besteht, wobei die öffentliche Hand in so weitgehendem Maße auf die Durchführung der Arbeiten Einfluss nimmt, dass der Private gleichsam als bloßes „Werkzeug“ oder als „Erfüllungsgehilfe“ des Hoheitsträgers handelt und dieser die Tätigkeit des privaten deshalb wie eine eigene gegen sich gelten lassen muss. Je stärker der hoheitliche Charakter der Aufgabe in den Vordergrund tritt, je enger die Verbindung zwischen der übertragenden Tätigkeit und der von der öffentlichen Hand zu erfüllende hoheitlichen Aufgabe und je begrenzter der Entscheidungsspielraum des Privaten ist, desto näher liegt es, ihn als Beamten im haftungsrechtlichen Sinne anzusehen.

Hier stand außer Frage, dass die Beklagte im Rahmen öffentlich-rechtlicher Aufgabenerledigung der Stadt C eingesetzt wurde. Die Bauarbeiten, welche die von der Beklagten auszuführende Regelung und Sicherung des Straßenverkehrs erforderlich machten, wurden von der Stadt C als Träger der Straßenbaulast gemäß §§ 9, 9 a, 47 StrWG NW veranlasst. Die Eigenschaft als Verwaltungshelfer konnte die Beklagte auch nicht dadurch verlieren, soweit sie sich — was insofern dahinstehen kann — nicht streng an die Vorgaben der verkehrsrechtlichen Anordnung gehalten haben sollte. In diesem Fall wäre die Beklagte lediglich ordnungsrechtlichen und haftungsrechtlichen Konsequenzen ausgesetzt, ohne dass sich am Charakter ihres Handelns etwas ändern könnte.

Als Verwaltungshelfer geht Amtshaftung vor und es kann nur die beauftragende Körperschaft in Anspruch genommen werden. Derartige Fälle sind in der Praxis häufig und werden ebenso häufig übersehen. Ein Regress der Körperschaft gegen den privaten Unternehmer ist jedoch entgegen der Regelung in Art. 34 S. 2 GG auch bei einfacher Fahrlässigkeit möglich (BGH VersR 2005, 362).

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